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Mittwoch, 9. November 2005

Als die Mauer fiel

Kein runder Jahrestag, an dem obligatorisch zurückgedacht wird. Aber das erste Mal, seitdem ich blogge. Grund genug für ein paar persönliche Rückblicke.

Tja, wie war das damals? Ich weilte gerade bei einer Tanzveranstaltung in einem Jugendclub. Das waren die Örtlichkeiten, die der DDR-Jugend zur Verfügung standen, um sich auf der Tanzfläche auszutoben, auch wenn diese noch andere Angebote hatten. Ende der 80-er sah es so aus, dass sich kein DJ mehr an die 40:60-Klausel (prozentuale Anteile der Musik West zu Ost) hielt. Wenn es Ost-Musik gab, dann die aus dem zunehmenden Independent-Bereich. Es wurde jedenfalls munter jeder Musikgeschmack bedient. Und das alles mit Ansage jedes einzelnen Songs. Da musste der DJ auch Moderator-Qualitäten aufzeigen. Und dann kam die Ansage, dass die Grenzen offen wären, der Personalausweis würde ausreichen zum sofortigen Überschreiten. Ein paar machten sich schnurstracks auf den Weg. Der Rest blieb ungläubig da. Ich auch. Erst beim Ansehen der Nachrichten konnte man es erst wirklich glauben. Obwohl das immer noch utopisch klang.

Am Wochenende fuhr ich nach Berlin. Sehr oft war ich schon dort. In der Hauptstadt der DDR - Ost-Berlin. Nun ging es aber nach West-Berlin. Der goldene Westen. Das Land der Verheißung. Die Janowitzbrücke wurde als Übergang gewählt. Empfangen von Kreuzberg. Es sah genauso grau wie im Osten aus, aber jeder kleine Gemüsehändler hatte Bananen. Also war das schon der Westen. Weiter ging's zum Ku-Damm, der von Ossis überquoll. Die Nasen an den Schaufenstern plattdrückend. Mir war das peinlich. Ja, es gab viel mehr zu kaufen. Sehr viel mehr. Kein Grund, sämtliche Menschenwürde zu vergessen und jedem dargereichten Geschenk auf dem Boden hinterher zu robben [sic!]. Trotz alledem habe ich den Westen von Berlin (ja, Kreuzberg voran) in mein Herz geschlossen, dass zuvor der Osten durch viele Reisen schon getroffen hatte. Das ist für mich einfach nur Berlin - Ost wie West. Und wenn ich mich irgendwo heimisch fühle, dann dort. Aber das hat nun nichts mehr mit dem Ankommen in einem geeinten Deutschland zu tun, soweit es das denn gibt.

Die Arche fährt nach Afrika

Hm. Hm. Hm. Ja, CocoRosie sind schon etwas obskur. Sicher. Gestern Abend war ich bei einem Konzert der beiden Schwestern. Die zwei bisher erschienenen Alben kann man dann doch als sehr homogen bewerten, was man von den inzwischen miterlebten Konzerten sicher nicht sagen kann. Zu den "all those beautiful boyz" zählte diesmal nicht mehr Antony And The Johnsons, sondern ein teilweise rappendes, viel tanzendes Großstadtdschungelkriegertrio. Mit dem ganzen Hip Hop-Kram konnte ich noch nie etwas anfangen. Klar, jeder der zu meiner Generation zählt und in der DDR aufgewachsen ist, weiß sehr gut, dass der Film "Beat Street" Kult war. Aber dennoch kann ich mit diesem Genre nichts anfangen. Nun lassen also CocoRosie die Neger* tanzen. Und singenrappen. Als beim letzten Konzert Antony And The Johnsons den Support gab, war es für mich auch erst einmal etwas gewöhnungsbedürftig. Falsett-Stimmen haben zwar schon frühzeitig meinen Gehörgang gefunden (Jimmy Somerville), aber zumindest im Alleingang war mir Antony Hegarty doch etwas zu lethargisch. Erst im Zusammmenspiel mit den Casady-Schwestern, vor allem bei "beautiful boyz", entpuppte sich dieses als absoluter Ohrwurm. Was will mir das sagen? Das ich nun demnächst die Rap-Schiene gut finde? Groove hatte das jedenfalls allemal. Optisch war es auch sehr nett anzusehen - das Lidl-Leckerli von der Frau Budenzauberin muss da wohl weiter hinter der Kasse bleiben. Und es wurde auch alles (O.K. - für Insider wohl nur ein Bruchteil) ausgereizt, was es an afrikanischen Einflüssen gibt. Und das an sich meist unterkühlte Hamburger Publikum machte auch brav mit. Es gab viele Dschungelstimmen bei den Zuschauern zu hören, die sich nicht scheuten, den Affen zu machen, denn solche Laute waren gefragt. Erst durch dieses Konzert konnte ich in etwa nachvollziehen, wie es bei Brainwashed zu Rassismusvorwürfen gekommen ist. Man sollte schon einmal darüber nachdenken, wie man mit anderen Kulturen umgeht. Oder das ist eben gerade ein Akt von gegenseitiger Integration. Nun gut, als Fazit kann man nur damit schließen, dass es ein sehr schönes Konzert war.

*In diesem Zusammenhang bewusst so gewählt.